„Nur wenn wir an einem Strang ziehen, verändern wir unser aller Arbeitsleben zum Besseren“ – Illustrator Sven Geske im Interview

Ich lese regelmäßig in Freelancer-Blogs, bin in Facebook-Gruppen oder in Portalen für Kreative unterwegs und es gibt Menschen, die ich dort immer wieder treffe und die mir auffallen. Sie unterstützen andere junge Talente, beantworten Fragen und sind immer zur Stelle wenn es darum geht Aufklärungsarbeit zu leisten und das eigene Wissen zu teilen. Der Illustrator Sven Geske ist einer von Ihnen. Grund genug Sven Geske zum Interview einzuladen und einmal nachzufragen was ihn so antreibt, wie er zum Beruf des Illustrators kam und was er anderen Kreativen mit auf den Weg geben möchte.

Interview mit dem Illustrator Sven Geske

Hallo Sven, du hast dich schon kurz nach dem Studium selbstständig gemacht, hast aber mit vielen Probleme zu kämpfen gehabt und bist letztendlich dann auch leider gescheitert. Was waren aus heutiger Sicht die Hauptgründe dafür, dass es nicht geklappt hat?

Ich war nicht vorbereitet. Damals hatte ich keine Ahnung vom Business, Akquise, Selbstvermarktung, Betriebswirtschaft, Urheberrecht, Vertragsrecht und ich wusste nicht wo ich hin wollte. Nur einfach schöne Bilder machen wollen reicht nicht. Im Grunde habe ich an meinem Rechner gesessen und gehofft, dass mir jemand einen Auftrag zuwirft und diesen habe ich immer nach den Bedingungen des Auftraggebers gemacht. Das konnte so natürlich nichts werden.

Und wie ging es dann für dich weiter? Denn heute bist du als Vollzeit-Illustrator erfolgreich selbstständig?

Naja, irgendwann war das Geld zu Ende. Ich bin dann über einen Nebenjob in eine Festanstellung als Zoofachhändler gerutscht. Das hat mir sogar richtig Spaß gemacht. Aber nach einem Jahr merkte ich, dass das nix für mich ist. Ich fühlte mich kreativ leer. Leider war auch das Verständnis von Tierhaltung der Kunden für mich irgendwann nicht mehr erträglich. Aber ich habe tatsächlich viel gelernt, wie Vermarktung, Kundenwünsche lesen und seine Produkte verkaufen.

Ich bin dann als Praktikant wieder in die Werbung. Das war ein Glücksfall. Die Art Directorin hat meine Talente geschickt in den Kampagnen genutzt, obwohl sie eigentlich fast gar keine Illustrationen im Portfolio hatten. Sie haben mir dann keine Festanstellung angeboten, aber wir haben auch nach dem Praktikum noch Jahre gut zusammengearbeitet. Im Endeffekt hat mir diese enge Zusammenarbeit den Einstieg ermöglicht, da ich so fast ein geregeltes Einkommen hatte.

Ausstellung bei der Illustratoren Organisation 2012

Sven Geske vor seinen Illustrationen bei der Ausstellung der Illustratoren Organisation 2012

Typische unternehmerischen Themen wie Wirtschaft, Recht oder Marketing werden von vielen Kreativen „gemieden“. Was ein echtes Problem ist, weil man als selbstständiger Designer natürlich vernünftiges Hintergrundwissen braucht, um von seinem Job leben zu können. Wo kommt das deiner Meinung nach her? Warum haben so viele Designer hier Wissenslücken? Und wie kann man das ändern?

Wir Kreativen leben aus dem Gefühl heraus. So gut man die Grundlagen der Gestaltung logisch konstruieren kann, der echte Funke entsteht durch Emotionen und Bauchgefühl. Nur steht das diametral der kalten Rationalität und manchmal auch erbarmungslosen Härte von Zahlen und Gesetzen entgegen. Unsere Stärke als Gestalter sind unsere Empathie, aber gleichzeitig unsere Schwäche bei rationalen Themen. Leider erlebe ich, dass es hier Männer scheinbar etwas leichter haben sich auf Rationalität einzulassen als Frauen. Hier gibt es ein starkes Gefälle und zeigt sich auch in den Branchen, die sie bedienen (Frauen eher Kinderbuch, Männer eher Werbung).

Eigentlich müsste bereits in der Ausbildung Betriebswirtschaft und Recht mindestens in den Grundlagen gelehrt werden. Leider ist das immer noch eine Seltenheit. Daher plädiere ich bei jedem Neueinsteiger, sich mit diesen Themen explizit auseinanderzusetzen, so trocken die Materie auch ist. Aber wir sind Geschäftsleute und müssen uns auch so verhalten. Wer nur einfach malen will soll das im Hobby tun, aber dann die Finger von der Freiberuflichkeit lassen.

Auch bei ganz essentiellen und rechtlich vorgegebene Themen, wie den Nutzungsrechten, fehlt es oft an Wissen. Oder die Designer scheuen sich diesen Punkt vor ihren Kunden anzusprechen und geben einfach alle Nutzungsrecht bei der Übergabe des Designs ab. Du leistest bei dem Thema immer wieder viel Aufklärungsarbeit für deine Kunden und andere Designer. Kannst du bitte kurz zusammenfassen was Nutzungsrechte sind, warum sie so wichtig sind und wie man das Kunden erklärt?

Nutzungsrechte sind im Grunde Leihverträge. Der Urheber erlaubt einem Verwerter seine Werke in einer bestimmten, festgelegten Art zu nutzen. Mein sehr geschätzter Kollege Frank Ihler hat es mir sehr anschaulich erklärt, daher gebe ich das mal so wieder.

Es ist vergleichbar mit einer Fahrt mit der Bahn (die Nutzung). Ich entscheide wohin und wann ich fahren möchte (Art der Verwendung), ob ich in der ersten Klasse sitzen will (exklusiv) oder im großen Abteil (einfach) ob ich mehrfach fahren will oder eine Einzelfahrt mache. Wie jeder weiß, je mehr ich will, desto teurer wird die Karte. Eine Einzelfahrkarte wäre vergleichbar mit einer minimalen Nutzung, ein Jahresticket dagegen schon eher einer Bahncard 100. Das Ticket erlaubt mir aber nicht die Bahn umzustreichen, dem Zugführer zu sagen wo er hinfahren will oder das Schienennetz zu verkaufen. Das Urheberrecht erlaubt uns zwar auch das (Total-Buy-Out) aber das müsste entsprechend deutlich mehr kosten, eben das Kaufen der Bahn AG. Leider glauben viele Kunden eben, dass sie ein Tagesticket kaufen können und dann Eigentümer der Bahn AG sind. Noch schlimmer ist es aber, wenn wir Urheber das auch glauben.

Du schreibst für Freelancer-Blogs über Selbstständigkeit, teilst dein Wissen in Facebook-Gruppen oder hältst Vorträge für Berufseinsteiger. Was ist dein Ansporn?

Als ich angefangen habe mit der Freiberuflichkeit, hatte ich keinen Plan. Die Informationen waren spärlich und wenn man Kreative fragte, bekam man im besten Fall schwammige Infos, im schlimmsten Fall wurde man als Konkurrent angefeindet. Die letzten Jahre hat sich das stark geändert. Ich bin der absoluten Überzeugung, dass wir unser Arbeitsumfeld erheblich selbst gestalten. Nur wenn wir an einem Strang ziehen und jeder mit den selben Grundlagen (z.B. Nutzungsrechte und Vergütung) arbeitet, verändern wir unser aller Arbeitsleben zum Besseren. Daher teile ich mein Wissen gerne, in der Hoffnung die Branche wieder lohnenswert zu machen.

Welchen Tipp würdest du anderen Designern geben, die mit dem Gedanken spielen sich selbstständig zu machen? Wie bereitet man sich vor?

Schafft euch Informationsmaterial an! Lest alles zum Thema Selbstständigkeit, Urheberrecht, BWL. Vernetzt euch mit Kollegen und solidarisiert euch in Berufsverbänden, zusammen sind wir stärker. Hört nie auf euch weiterzubilden, nicht nur mit den trockenen Grundlagen, auch kreativ. Begreift den Beruf Illustrator als ein Geschäft und nicht nur als künstlerische Verwirklichung.

Die Kreativszene entwickelt sich schnell, bunt und ist sehr vielfältig. Wie informierst du dich über aktuelle Trends & Hintergründe oder bildest dich weiter?

Einen nicht unerheblichen Teil des Arbeitstages surfe ich über verschiedene Plattformen: Wirtschaftswissen und Politik auf Newsportalen; Designnews auf Page und Horizont; Informiere mich über meine Kunden und Kollegen auf Facebook, LinkedIn und Xing; diskutiere mit Kollegen in Netzwerken und Foren (Facebook, IO-Forum, Xing) und ich hole mir kreativen Input sowohl als Ideengeber als auch um zu sehen, was modern ist (Behance, Deviantart, Page, Facebook, Instagram). Wie gesagt: bleib immer am Ball. Ja das kostet Zeit, aber ich kann eh nicht stundenlang am Stück arbeiten. So nutze ich immer mal wieder hier zehn Minuten und da ne halbe Stunde. Danach kann ich fit weitermachen.

Und zu guter Letzt: ein Blick auf deinen Arbeitsplatz. Was beschäftigt dich im Moment? Und wie sieht es hinter deinen Kulissen aus:

Arbeitsplatz des Illustrators Sven Geske

Ein Blick hinter die Kulissen eines Illustrators: Der Arbeitsplatz von Sven Geske

Momentan arbeite ich an verschiedenen Weihnachtsaussendungen für Kunden. Außerdem habe ich gerade mein Logo generalüberholt. Ich bin gerade umgezogen, daher noch nicht wieder so recht drin in der Arbeit. Fast ist es geschafft und dann kann ich wieder durchstarten.

Danke für das Interview Sven und das du dir die Zeit für meine Fragen genommen hast.

Das Interview wurde im Oktober 2016 geführt.

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3 Gedanken zu „„Nur wenn wir an einem Strang ziehen, verändern wir unser aller Arbeitsleben zum Besseren“ – Illustrator Sven Geske im Interview“

  1. Vielen Dank für das tolle Interview!
    Der Vergleich mit der deutschen Bahn ist grandios, das muss ich schon sagen! Genau so kann man es tatsächlich mal erklären, vielleicht funktioniert das wirklich.
    Ich selbst stehe gerade an dem Punkt, an dem Sven auch stand… Das Geld ist leer und die Suche nach etwas Festem geht wieder los. Das liegt aber auch etwas daran, dass mein (Business)partner komplett ausgefallen ist und ich nun Geld für zwei (Miete, Büro, Essen, bla bla) alleine stemmen muss. Das schafft meine Selbstständigkeit nicht und ich bin inzwischen auch arg ausgebrannt. Mein Partner ist jetzt seit gut 3 Monaten weg vom Fenster und mir steht das Wasser schon bis über den Scheitel. – Es führt wohl nichts mehr daran vorbei, die Selbstständigkeit erstmal zu vergessen – oder an ein Wunder zu glauben. Auch hat sich in den letzten 3 Monaten meine Vision offenbar völlig geändert.
    Von Kundenaufträgen möchte ich weg und doch lieber wieder zur Grundidee der eigenen Papeterie mit Postkarten, Geschenkpapier und Co. Da das allerdings einen Investitionsaufwand bedeutet, wird das erst was, wenn ein geregeltes Einkommen erstmal alle Löcher gestopft hat, die der Ausfall meines Partners hier aufgerissen hat. Nun, so ist das Leben. Das Jahr 2016 hat sich komplett anders entwickelt, als wir beide gedacht haben und nun bin ich wieder ganz klassisch auf Jobsuche. So kann’s gehen ^^
    Verlass dich nie auf andere, nur auf dich selbst… Hätte ich mal tun sollen.
    Hab eine wundervolle Woche und vielen Dank für deinen tollen Blog,
    Julia <3

    Antworten
    • Hallo Julia,
      puhh, der Druck mal eben das Doppelte finanzieren zu müssen ist hoch. Ich wünche dir viel Kraft, weil das wirklich viel ist, was du wuppen musst.
      Aber vielleicht gibt die eine (vorübergehende) Festanstellung auch die Möglichkeit dich neu zu sammeln und entspannter deine eigene Ziele zu verfolgen, weil du eben nicht damit deinen/euren Lebensunterhalt finanzieren musst. Am Beispiel von Sven sieht man ja, dass es manchmal einen Umweg braucht, um den eigenen Traum umzusetzen. Und du hast mit deinem Farbcafe ja schon ein ganzes Stück in die passende Richtung geschafft.
      Von Herzen viel Grüße,
      Gudrun

      Antworten
  2. Hallo, Gudrun und schöne Grüße aus der Quasi-Nachbarschaft! 😉

    Ich kann mich den Worten meines Vorredners in vielen Punkten nur anschließen. Ich selbst bin als Bürokaufmann in meine Berufslaufbahn gestartet und am Ende eher zufällig im Agenturumfeld gelandet. Das Leben verläuft nur selten geradlinig. Nach mehreren Jahren dort bin ich nun selbst als freiberuflicher Illustrator / Webdesigner unterwegs und lebe meinen Traum von der Selbstständigkeit.

    Hat mir der recht trockene Umweg über den Bürokaufmann geschadet? Definitiv nicht. Heute bin ich wirklich dankbar darüber, den Weg gelaufen zu sein. Auch wenn ich schon in der Ausbildung wusste, dass ich mein Leben nicht damit füllen wollen würde.

    Grundkenntnisse in Buchhaltung, Marketing und Vertrieb sind wirklich wichtige Eckpfeiler in der Selbstvermarktung und man sollte sich definitiv mit ihnen auseinandersetzen. So trocken sie im ersten Moment auch sein mögen: Erkennt den Wert eurer eigenen Arbeit und seht es als eine wichtige Investition in euch selbst.

    Überspitzt dargestellt:
    Ihr könnt designen und illustrieren mit dem Talent junger Halbgötter. Das nützt euch leider gar nichts, wenn ihr einfach nicht gesehen werdet oder es nicht verkaufen könnt 😉

    Daher gehören diese Grundlagen in den Köcher wie die Kreativität selbst.

    Beste Grüße,
    Sascha

    Antworten

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