Bei vielen Kreativen sieht der Weg in die Selbstständigkeit so aus: Designstudium oder Ausbildung, dann ein paar Jahre in einer Festanstellung und schließlich die Gründung des eigenen Design Business. Bei Martina Gaul von Margali war es ganz anders, weil Martina ursprünglich aus einem ganz anderen Berufsfeld kommst. Ich finde das spannend und freue mich darum sehr über das heutige Interview.
Liebe Martina erzähl doch mal, wie du zum Design gekommen bist.
Zum Design bin ich im Grunde genommen durch eine berufliche Krise und ein begleitendes Coaching gekommen. Ich habe viel in Start-Up Unternehmen im kaufmännisch-operativen Bereich gearbeitet und nun gab es aufgrund vieler Koordinaten, die nicht mehr stimmten, Grund, das Ruder umzulegen und das Ganze auch als Aufbruch und Chance zu betrachten. Den inneren Wunsch, mehr mit meinen Händen zu machen, hatte ich schon seit langem. Das Fotografieren hat sich parallel dazu schon seit längerer Zeit nebenbei als Hobby heraus kristallisiert, nach dem Motto „ich sehe was, was du nicht siehst“. Vorliebe für spezielle Motive, sonderbares Licht, Stillleben, – Tiere eher als Menschen, letztere partout nicht.
Auch dein Designbereich ist besonders, denn du machst kein Grafikdesign, sondern entwickelst und verkaufst dein eigenes Geschenkpapier. Ich finde das eine großartige Idee. Auch, weil ich noch nie mit einer Designerin kennengelernt habe, die in diesem Designbereich unterwegs ist. Wie bist du auf die Idee gekommen und was ist dir bei der Auswahl deiner Motive besonders wichtig?
Die Idee entstand in der Zwiesprache mit der Coachin, die mich animierte, auch bei Ratlosigkeit weiter zu denken und so Potential und Ideen Platz zu geben, sich die Hand zu reichen. Im Zentrum stand dann der Gedanke, meine Fotos sinnvoll zu nutzen. Geschenkpapier war eine der Optionen. Um dem Ganzen einen Rahmen zu geben, entstand als erstes Projekt der Entwurf verschiedener Haupstadtpapier-Kollektionen. Beim Launch der ersten Kollektionen hatte ich großes Glück und konnte auch Aufnahmen meines Neffen nutzen, der viel in der Stadt unterwegs ist und auch sehr gerne fotografiert. In einer zweiten Runde habe ich mich auf Street-Art Themen und eigene Fotos konzentriert.
Bei den Stadtfotos ist es mir wichtig, Standardmotive eher außer Acht zu lassen und meinem eigenen Berlin-Gefühl nachzugehen, welche Ecken sind von eigenen Erinnerungen geprägt etc. Bei den Street-Art Fotos sprechen mich Motive an, die mich zum Schmunzeln bringen oder einen auf geschickte Art und Weise nachdenklich machen. Tiere fange ich ebenso gern fotografisch ein, sie begegnen mir in vielen Street Art Stillleben, entweder alleine oder in guter Gesellschaft.
Mir ist bei deine Papierbögen sofort auch die hohe Qualität aufgefallen. Sowohl vom Druck, als auch vom Papier. Normales Geschenkpapier ist ja immer ganz dünn und zerreißt schnell, was mega ärgerlich ist. War diese hohe Qualität für dich von Anfang an wichtig oder hat sich das erst im Laufe der Produktentwicklung ergeben? Und hast du gleich die passende Druckerei gefunden?
Die Papierqualität ist von Anfang an wichtig gewesen, – der Traum, in einer Berliner Druckerei zu landen hat sich leider sehr schnell erledigt. Zu schön, zu teuer. Ich habe dann meine Druckereien gefunden, je nach Produkt wechsele ich oder probiere auch mal einen neuen Drucker aus. Qualität, egal ob Pixel und Konsorten, Grammatur oder Beschnitt muss immer überprüft werden und Reklamationen einzustellen, gehörte mit zu den ersten Fingerübungen, die es zu lernen galt. Größter Schreck – Achtung Anekdote – war die Lieferung der Weihnachtskollektion, bei der zu viel Schwarz bei gemischt war. Elegant aber auch durchaus sehr morbide. Da ich hier eine deutlich höhere Auflage gedruckt habe, war der Schreck groß. Es musste alles nachgedruckt werden.
Mit deiner Hauptstadt-Kollektion hast du Berlin ein Denkmal gesetzt und ganz typische Bilder der Hauptstadt eingefangen. Als Hamburgerin frage ich mich da sofort, ob du auch weitere Städtekollektionen im Planung hast? Hamburg vielleicht?
Bei den Hauptstadtpapier-Kollektionen bleibt es erst mal bei Berlin. Auch wenn es vielleicht merkwürdig oder anachronistisch anmutet, aber ich finde erst langsam zu meiner Handschrift. Ich bin nun dabei, einige Kollektionen sukzessive zu überarbeiten, neue Fotos einzuarbeiten, neue Themen aufzusetzen und auch das Thema Street-Art gebündelter aufzunehmen.
Bei den Street-Art Kollektionen, den sog. „freien Kollektionen“ habe ich Köln, Leipzig und Chemnitz im Programm, international gibt es Motive u.a. aus Valparaíso, Jaffa, Paris, Katalonien, Peru , um einige zu nennen. Hamburg ist hier eindeutig ein Kandidat. Wahrscheinlich der nächste.
Zurück zum Business. Was schätzt du an deiner Selbstständigkeit am meisten und was ist die größte Herausforderung für dich?
Zu Hause zu bleiben, wenn sich der Rest der Welt in den Berufsverkehr einschleust, ist sehr verführerisch. Ebenso die Tatsache, dass ich bei Ideen einfach loslegen kann und nicht durch Bedenkenträger oder Hierarchiefallen blockiert werde, allenfalls durch ein leeres Bankkonto. Herausforderung ist das alleine arbeiten. Ich bin weder sehr diszipliniert noch Einzelgängerin, eher Teamplayer.
Die Kreativszene entwickelt sich schnell. Haben Trends für dich eine große Bedeutung oder lässt du dich eher von deinen eigenen Ideen leiten?
Definitiv letzteres. Wenn ich auf das Ganze und Grosse schaue, verliere ich mich und den Elan.
Coworking-Spaces, Meetups oder Social Media – Wie hältst du den Kontakt/Austausch zu und mit anderen Kreativen?
Nur über Freundschaften. Professionelles Handling der Social Media-Kanäle würde mich überfordern.
Welche Tipps würdest du anderen Kreativen geben, die sich gerne selbstständig machen möchten? Vielleicht auch gerade dann, wenn sie nicht den typischen Designer-Werdegang hinter sich haben.
Den richtigen Moment abpassen und dann springen. Augen auf im Förderdschungel. Rat einholen.
Und zu guter Letzt: Woran arbeitest du gerade und wie sieht dein Arbeitsplatz aus?
Ich arbeite gerade an einer Kollektion, die den Arbeitstitel „Animal Farm“ hat. Das sind Street-Art-Motive aus Berlin und zwar nur Viecher. Mal auf Verteilerkästen, an Brandwänden, auf Mauern oder über Eingangstüren. Ein schlauer Fuchs, eine tanzende Bulldogge, panische Straußenköpfe, Katzenstrich vom Prenzlberg …
Das war ein spannender Einblick in deine Arbeit.
Vielen Dank für das schöne Interview, liebe Martina.