Interview mit der Designerin Beate Rocholz – „Etwas Sinnvolles beizutragen war mir wichtiger, als die sogenannte Karriereleiter.“

Es hat eine ganze Reihe von Vorteilen, wenn man mit viel Erfahrung und einem guten Netzwerk von der Festanstellung in die Selbstständigkeit startet. Zum Beispiel die, dass man auf die oft ungeliebte Kaltakquise verzichten kann. So hat es auch die Designerin und Illustratorin Beate Rocholz erlebt. Über Ihren spannenden und vielschichtigen Weg von der Designerin hin zu Ihrem Traumziel als reine Illustratorin zu arbeiten, möchte ich heute mit Beate im Interview sprechen.

Designerin Beate Rocholz

Heute im Interview: die Designerin und Illustratorin Beate Rocholz / © Ralf Bieniek

Hallo Beate, schön, dass du dir die Zeit für unser Interview nimmst und uns ein wenig über dich und deine Selbstständigkeit erzählst. Wie kam es dazu, dass du dich selbstständig gemacht hast? Und seit wann arbeitest du schon so?

Wenn man mich vor etwa 8 Jahren gefragt hätte, ob Selbstständigkeit für mich infrage käme, hätte ich das damals mit aller Entschiedenheit verneint. Es wurde schließlich zu einer Frage des „Drucks“. Im Laufe meiner knapp 20-jährigen Angestelltenzeit wurde der allgemeine Ton zunehmend schärfer/härter. Eine sogenannte Karriereleiter zu erklimmen gehörte nicht zu meinem beruflichen Ziel. Professionell einwandfreie Arbeit abgeben und etwas Sinnvolles beitragen, war mir wichtiger als „über Leichen zu gehen“. Leider wird genau das mehr und mehr verlangt – man nennt es „gesunde Rivalität“. Da stieg ich (innerlich) aus. Weil ich die Befürchtung hatte, durch einen simplen Arbeitgeberwechsel vom Regen in die Traufe zu kommen, verspürte ich daher zunehmend den Druck, meinen eigenen Weg zu gehen.

Also ertappte ich mich eines Tages dabei, wie ich im Internet immer öfter nach Existenzgründer-Seminaren suchte, bis ich auf ein sympathisches Angebot stieß, das ich so schnell es möglich war, in Anspruch nahm. Mein Wunschziel, sofort als „Illustratorin“ zu arbeiten, konnte ich leider nicht von heute auf morgen realisieren. Auf dem Weg zu meinen Traumprojekten überlegte ich übergangsweise erst einmal das zu machen, was ich mehr als 10 Jahre während meiner Angestelltenzeit tagtäglich gemacht hatte und sofort professionell anbieten konnte: Präsentationsgestaltung mithilfe von PowerPoint. Vielen erscheint es unwirklich, dass man damit über die Runden kommen kann. PowerPoint? Immer erhalte ich als Kommentar: Das kann doch jeder! Daraufhin ich: Das Programm technisch zu beherrschen ist eine Sache – aber mit seiner Hilfe eine in sich harmonische professionelle Gestaltung herauszuholen, eine komplett andere Sache. Weiterer Vorteil dieser ersten Strategie: Mir blieb Kalt-Akquise erspart. Durch das Netzwerken auf Plattformen wie Xing und LinkedIn kam ich rasch in Kontakt mit ehemaligen Kollegen, die inzwischen für andere Unternehmen tätig waren und eine zuverlässige Designerin brauchten, die sich nicht zu schade war, neben den gängigen Adobe-Programmen wie Photoshop, Illustrator und InDesign auch mit PowerPoint zu arbeiten.

Seitdem ich im Februar 2014 meine Selbstständigkeit gestartet hatte, entwickle ich parallel zu meinen PowerPoint-Aufträgen auch mein Illustrations-Portfolio weiter. Zusätzlich arbeite ich als Freelancer für einen Herausgeber, der einen kleinen Buchverlag unterhält, sodass ich auch in Sachen Buchcover-Design beauftragt werde. Bei all dem hilft mir nicht nur das Grafik-Design-Fernstudium, das ich vor knapp 10 Jahren gemacht hatte, sondern auch eine gehörige Portion Idealismus und mein ständiger Hunger nach Perfektion.

Was schätzt du an deiner Selbstständigkeit am meisten und was ist die größte Herausforderung für dich?

Was ich besonders schätze, ist die Dankbarkeit meiner Kunden. Als Angestellte wurde alles als sehr selbstverständlich betrachtet. Als Freiberufler wird mir viel mehr Dankbarkeit entgegengebracht – und das tut echt gut, denn seien wir ehrlich: im Grunde will nicht nur das Portemonnaie gut gefüllt sein, sondern im positiven Sinn ja auch die Seele.

Die größte Herausforderung für mich speziell ist auch einmal abschalten zu können. Ich habe mich anfangs wie eine Irre in Aufträge hineingestürzt und mich darin verlieren können. Das erschien mir gar nicht abwegig, denn endlich konnte ich das machen, was mir wirklich Spaß macht und daher kann es in der heimeligen Atmosphäre eines Home Office auch mal schnell weit nach Mitternacht werden, bis man sich sagt: so gefällt mir das jetzt und ich darf mich endlich ins Bett fallen lassen. Das hat seine Tücken! Durch diese Arbeitsweise habe ich mir schwere körperliche Krankheiten zugezogen (z.B. zwei Lungenembolien, um nur mal ein Teil davon rauszupicken), sodass eine Reha im letzten Jahr unausweichlich war. Aus dieser Zwangsauszeit konnte ich viel in meinen beruflichen Alltag mitnehmen, z.B. sich mehrere kurze Ruhezeiten im Laufe des Tages zu „erlauben“, anstatt bis zu 10 Stunden ununterbrochen am Arbeitsplatz zu „kleben“ – was vorher keine Seltenheit bei mir gewesen war.

Designerin Illustratorin Beate Rocholz

Immer wieder kurze Ruhezeiten einzulegen ist wichtig.
Vor allem dann, wenn man kreativ arbeite und immer
das Beste aus dem Design rausholen möchte. / © Ralf Bieniek

Die Kreativszene entwickelt sich schnell. Wie informierst du dich über Trends & Hintergründe oder bildest dich weiter?

Dank Internet ist Informationsbeschaffung für Einzelkämpfer wie mich relativ einfach geworden:

  • Als Mitglied in der Illustratoren Organisation e.V. erhalte ich neben einem Newsletter über aktuelle Themen auch Seminarangebote, die sich mit speziellen Fragen von Illustratoren auseinandersetzen (und zusätzlich ist im Mitgliedsbeitrag nicht nur Steuerberatung, sondern auch ein Berufsrechtsschutz in Sachen Urheberrechte enthalten)
  • Austausch in Form von Online-Gruppen – in meinem Fall:
    • Auf Xing: in der Gruppe „Sketchnotes Germany“
    • Auf Instagram: eine kleine überschaubare Editorial-Gruppe
  • Oder durch bestimmte Online-Plattformen – um nur eine Auswahl zu nennen:
    • Art Directors Club – jede Menge Infos über Designtrends + Seminar-Angebote
    • Talenthouse – Plattform für Designer/Künstler, u.a. mit „Creative Invites“, also Einladungen, die zur gestalterischen Teilnahme anregen
    • Docma.info – Tipps für Foto- bzw. Bildbearbeitung, was ich nahezu täglich in meinem PowerPoint-Brotjob benötige

Und noch vieles mehr, wie z.B. Deine Seite Achtung Designer. 😊

Weiterbildungsmaßnahmen nehme ich „ständig“ und hauptsächlich autodidaktisch vor:

  •  Grundsätzlich durch „Augen offenhalten“ nach guten professionellen Tutorials/Tipps im Netz
  •  Skillshare

Coworking-Spaces, Meetups oder Social Media – Wie hältst du den Kontakt/Austausch zu und mit anderen Kreativen?

Was das angeht, habe ich wenige ausgewählte, aber dafür gute und zuverlässige Kontakte. Diese wenigen und dafür intensivere Kontakte haben mich bisher weitergebracht als hunderte zumeist Fremdkontakte, wie das zum Beispiel oft auf Facebook der Fall ist.

Stichwort Social Media: Du hast dich gerade dazu entschieden nur noch einen Social Media-Kanal zu pflegen, nämlich Instagram. Warum hast du diese Entscheidung getroffen? Und warum ist deine Wahl auf Instagram gefallen?

Einen Teil habe ich in meiner vorherigen Antwort unter der vorherigen Frage vorweggenommen. Zusätzlich war Facebook im Grunde zu einem reinen Zeitfresser geworden und hatte mir im Gegenzug einfach keinen Mehrwert mehr eingebracht. Instagram ist inzwischen zwar ein Facebook-Ableger geworden, ich habe aber dort wesentlich mehr Übersicht in Kombination mit gezielteren Kontaktmöglichkeiten zu potenziellen Auftraggebern. Zum Beispiel wurde ich dort von einer Sängerin aus New York entdeckt, die mich für einen Illustrationsauftrag für eines ihrer CD-Cover kontaktierte. Von solch einer Kontaktaufnahme hatte ich in den vielen Jahren meiner Facebook-Zugehörigkeit nur träumen können. Auf Instagram bin ich zudem in einer einzigen sehr kleinen Editorial-Gruppe, die ich fantastisch finde, weil der kreative Austausch dort bisher am besten für mich funktioniert und ihn auf keinen Fall mehr missen möchte.

Beate Rocholz am Arbeitsplatz

„Bei meinen Social Media-Kanälen, habe ich wenige ausgewählte, aber dafür gute und zuverlässige Kontakte.“ – Beate Rocholz / © Ralf Bieniek

Welchen Tipp würdest du einem anderen Designer geben, der mit dem Gedanken spielt sich selbstständig zu machen?

Das ist in meinen Augen schwer zu beantworten. Ich sehe meinen Gang in die Selbstständigkeit als eher untypisch an. Wie schon erwähnt, musste ich nicht einmal Kaltakquise betreiben, weil das Netzwerk mit ehemaligen Kollegen und den daraus entstandenen Empfehlungen für mich ausreichte, um nun davon leben zu können.

Das ist es jedoch auch, was ich aus meiner Erfahrung zu diesem Thema sagen kann: „Namen“ sind mächtiger, als man denkt. Ich dachte am Anfang meiner Selbstständigkeit, dass ich allein mit meinem guten (und wie ich dachte „unbekannten“) Namen nicht viel ausrichten kann. Doch weit gefehlt! Mein Rat an dieser Stelle: Wer zurzeit in einem größeren Unternehmen tätig ist, sollte nicht unterschätzen, dass sich aus einem „beruflichen Netzwerk“ wertvolle Kontakte für eine künftige Selbstständigkeit „ergeben“ können. In diesem Zusammenhang haben (zumindest mir) Business-Netzwerke wie Xing sehr weitergeholfen!

Und zu guter Letzt: woran arbeitest du gerade und wie sieht dein Arbeitsplatz aus und woran arbeitest du gerade?

Momentan ist es mir nach etwa 5 Jahren Selbstständigkeit gelungen, auch reine Illustrationsprojekte zu erhalten. Das heißt abgesehen von meinen sonstigen reinen PowerPoint-Aufträgen. Zurzeit arbeite ich für Abteilungen einer großen Firma für Befestigungsmaterial narrative Illustrationen im Sketchnote-Stil aus, in denen einfach gehaltene Abläufe in Verbindung mit Sympathiefiguren den jeweiligen Verkäufermannschaften nähergebracht werden sollen. Solche bzw. ähnliche Illustrationsprojekte hätte ich ja gerne gleich zu Anfang meiner Selbstständigkeit gehabt. Doch hier zahlte sich meine Beharrlichkeit aus, meinen bestehenden Kunden in den letzten Jahren immer wieder durchblicken zu lassen, dass ich neben PowerPoint auch das kann. Dabei darf man nicht unterschätzen, wie durch jahrelang aufgebautes gegenseitiges Vertrauen und erwiesene Zuverlässigkeit Auftraggeber nicht nur gehalten werden, sondern auch neue (durch Weiterempfehlung) fast von selbst dazukommen.

Mein Langzeitplan sieht aber vor, nicht nur in Sachen Sketchnote-Stil mehr Aufträge zu bekommen, sondern auch in Richtung Editorial / Fashion / VIP-Portraits, womit sich meine Freelancer-Träume schließlich endgültig erfüllen würden.

Der Arbeitsplatz der Designerin BeateRocholz - Interview auf Achtung Designer

Nicht nur die großartige Schreibtischstuhlunterlage mit den DIN-Formaten verraten sofort, dass hier ein kreativer Kopf, wie der von Beate Rocholz, arbeitet.

Mein Arbeitsplatz ist sehr pragmatisch eingerichtet – ohne Schnörkel und Spielereien (einzig eine Batterie Eulen schaut mir neugierig bei der Arbeit zu 😉). Alles beruflich Wichtige (amtliche Unterlagen, Buchhaltung, Fachbücher etc.) ist rechts von meinem digital eingerichteten Schreibtisch in zweckmäßigen Regalen in greifbarer Nähe untergebracht.

Neben dem rein digitalen Arbeitsbereich mit zwei großen Bildschirmen habe ich zusätzlich einen manuell höhenverstellbaren robusten Tisch, an dem ich vorwiegend analog (mit Wasserfarben, Acryl, Bleistift, Kugelschreiber etc.) arbeite und dazu nutze, mein Portfolio in Sachen Editorial / Fashion etc. weiter voranzutreiben.


Danke für das Interview, liebe Beate!

Interview wurde im März 2019 geführt.

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