„Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“ – Interview mit der Designerin Jennifer Pluskat

Designerin Jennifer Pluskat

Krumme Lebensläufe erschaffen ganz wunderbar interessante Persönlichkeiten. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum ich für die Interviewreihe auf Achtung Designer so gerne mit Kreativen spreche, die ihren eigenen Weg gesucht und gefunden haben. Diese Beschreibung trifft auch auf Jennifer Pluskat zu, die sich mit 32 Jahren noch einmal in das Abenteuer Design-Studium gestürzt hat.

Jennifer Pluskat Portrait Schlafrezepte

„Ins Studium starten mit 32? Na klar!“ Die Designerin Jennifer Pluskat im Interview / Foto: Markus Tieben

Hi Jennifer, du bezeichnest deinen Weg selbst als einen langen, kurvigen Weg – mal im Flow und mal voll daneben. Das klingt nach einem sehr interessanten Werdegang, bei dem ich natürlich gleich mal ins Detail gehen möchte. Erzähl doch mal, wie bist du zum Design gekommen?

Eigentlich fing alles ganz gediegen an. Als erstes Mitglied meiner Familie besuchte ich das Gymnasium und legte 2002 das Abitur ab. Mein Traum – ein Studium im Bereich Gestaltung – war jedoch aufgrund persönlicher Umstände und finanzieller Beschränkungen lange Zeit unmöglich. So begann ich nach der Schule auf Anraten meines Vaters eine Lehre zur Bankkauffrau. Doch das war nix. Totunglücklich brach ich nach elf Monaten ab und fand über die Ausbildung zur Mediengestalterin für Digital- und Printmedien in einer braunschweiger Werbeagentur in die Medienbranche.

Nach mehr als zehn unterbezahlten Jahren Berufserfahrung, diversen nebenberuflichen Fernstudien – die mich viel Geld und Freizeit kosteten – sowie einigen eingeheimsten Preisen in Wettbewerben wurde mir jedoch immer klarer, dass es das nicht noch nicht gewesen sein konnte. Also setzte ich alles auf eine Karte, checkte meine Ersparnisse, kündigte meine Festanstellung, verließ mein geliebtes Braunschweig und zog 2014 nach Bremen. Diesem mutigen Schritt voraus ging die Bewerbung um einen der begehrten Studienplätze an der Hochschule für Künste und die – für mich zugegeben etwas unerwartete – Aufnahme.

Das habe ich immer gewollt! Und plötzlich war die Chance da! Ich konnte nicht anders. Studium. Mit 32!!!

Und nun war es mir schließlich auch endlich aus eigener Kraft möglich, meinen Traum wahr werden zu lassen.

Mit 32 Jahren ein Studium zu beginnen, stell ich mir gar nicht so einfach vor. Zum einen, weil man mit 20 anders tickt, als mit 30 und darum auch ganz andere Erwartungen an sich und die eigene Arbeit hat und zum anderen, weil du ja auch parallel zum Studium bereits gearbeitet hast. Anders herum hat es sicher auch große Vorteile, weil du viel mehr Erfahrung und Zielstrebigkeit mitgebracht hast, als wenn du frisch aus der Schule gekommen wärst. Wie war das für dich?

Total spannend! Auf der einen Seite fiel ich überhaupt nicht auf. Dozenten und Kommilitonen waren nicht selten überrascht, als sie erfuhren, wie alt ich ’schon‘ bin. Ich mischte mich einfach unters Volk. Aber oftmals wurde mir selbst ziemlich deutlich, dass ich einen ganz anderen Background mitbrachte. Der Lernstoff stieß in meinem Fall schließlich in einigen Bereichen auf mehr als ein Jahrzehnt Berufserfahrung. Bei vielen anderen hörte ich die Infos der Profs förmlich auf den Boden klatschen und blickte in leere Gesichter. Das soll nicht überheblich klingen. Kurios, wäre es anders gewesen. Was mich dabei erstaunte, war vielmehr die Tatsache, dass ich an diesem wunderbaren Ort ja eigentlich gar nicht mehr vorgesehen war, hatte ich die Altersgrenze, die der deutsche Staat für Studienbeginner vorsieht, doch längst überschritten. Und dennoch war ich diejenige, die den Stoff häufig am meisten verwerten konnte. Das Studium war gefühlt wie für mich gemacht.

Jennifer Pluskat Designerin Portrait03 Monitor

„Das Studium war gefühlt wie für mich gemacht“, sagt Jennifer Pluskat über ihren Schritt an die Hochschule. / Foto: Markus Tieben

An der HfK vertiefte ich also meine Kenntnisse über Design, Grafik und Illustration, warf aber auch immer wieder einen Blick über den berühmt-berüchtigten Tellerrand, so wie es der Studiengang Integriertes Design vorsieht: Produktdesign, Formsprache, Kreativitätstechniken, freies, ganzheitliches Denken, Designtheorie, sozio-kulturelle Zusammenhänge … Ich begann zu Schreiben! Ein Eldorado an Möglichkeiten!

Parallel blieb ich der Medienbranche stets treu – sowohl angestellt als auch freiberuflich. Zu alt für BAföG, lebte ich von dem, was ich in meinen Berufsjahren erarbeitet und beiseite gelegt hatte sowie von dem, was ich halbtags als angestellte Grafikerin und abends nach Studium und Feierabend zusätzlich noch freiberuflich erwirtschaften konnte. Dreifachbelastung! Unterstützung erfuhr ich, damals wie heute, nur durch meinen Freundeskreis. Eine harte Zeit, aber es hat sich gelohnt!

Interview Jennifer Pluskat hoch 1

Heute bist du nicht nur als Designerin, sondern gelegentlich auch als Dozentin unterwegs und gibst dein Wissen an die nächste Generation weiter. Das ist nach meiner Erfahrung eine tolle Arbeit, bei der man nicht nur viel gibt, sondern auch selbst viel lernt. Zum einen über das Designer-Sein selbst, aber auch darüber, wie Design wirkt und wahrgenommen wird und wie sich Kreativität verändert und entwickelt. Wie sind da deine Erfahrungen?

Ja genau, mittlerweile habe ich bereits selbst unterrichtet. An der Fachhochschule Südwestfalen lehrte ich zwei Semester lang im Studiengang Design- und Projektmanagement das Modul Gestaltungslehre und im Studiengang Technisches Redaktionsmanagement entwickelte ich mit Studenten ihre eigene Publikation. Diese vielen Unterrichtseinheiten ad hoc vorzubereiten, war extrem anstrengend. Schließlich konnte ich nicht einfach auf bereits vorhandenes Lehrmaterial zurückgreifen. Doch es hat auch unendlich viel Spaß gemacht, zu beobachten, was diese jungen Menschen unter Anleitung erschaffen. Dann noch zu sehen, wie sich jemand über die erbrachte Leistung bzw. den eigenen Erfolg freut, gibt einem so viel zurück.

Nach meinen ersten Erfahrungen als Dozentin sah ich nun also in der Erwachsenenbildung durchaus (m)eine berufliche Zukunft. Doch ohne den Abschluss „Master“ bleiben die Türen zu Lehraufträgen weitestgehend verschlossen. Aber wer mich kennt, weiß, dass ich mich meist nur kurz aufhalten lasse: Nun denn, Herausforderung angenommen! Auf zu neuen Ufern! Schweren Herzens ließ ich 2019 also auch Bremen hinter mir – die Stadt, die mir so viel ermöglicht hatte, mich wachsen ließ und mittlerweile zu meiner Heimat geworden war. Nun studiere ich DesignStudies (Designwissenschaften) im Master an der Burg Giebichenstein in Halle an der Saale.

Abschusspraese Modellbau

Die Abschusspräsentation im Unterricht Soest „Modellbau“

So viele Themen, Aufgaben und Interessen unter einen Hut zu bekommen, erfordert viel Organisation und eine gute Struktur. Wie sieht ein typischer Tag bei dir auch und wie sorgst du dafür, dass du den Überblick behältst?

Das stimmt. Nach wie vor bearbeite ich neben meinem Studium auch freiberuflich Aufträge. Wenn es die knappe Zeit zulässt, nehme ich zudem an Wettbewerben teil. Wenigstens die Festanstellungen habe ich mittlerweile hinter mir gelassen, aber mit eigenem Haushalt und einer Fernbeziehung muss man sich dennoch gut organisieren, will man auch mal Sport treiben oder Freunde treffen.

Ich bin ein To-Do-Listenschreiber. Meist starte ich morgens damit und erstelle einen Plan für den aktuellen Tag oder montags gleich für die komplette Woche. Da bleiben dann zwar noch einige Lücken offen, die füllen sich aber immer wie Zauberhand ganz von selbst. Und wenn nicht, dann kann auch mal ein To-Do einen Tag weiterwandern, sollte es die Deadline erlauben.

Wenn die anstehenden Aufgaben Überhand nehmen, nutze ich die Eisenhower-Matrix. Ein hilfreiches Tool, wenn es nötig wird, zu priorisieren, z.B. nach „wichtig und dringend / wichtig, aber nicht dringend / dringend, aber nicht wichtig / weder wichtig noch dringend“. Letzteres sollte im besten Fall übrigens direkt in den Papierkorb wandern und aus dem Kopf gestrichen werden.

Jennifer Pluskat Hausarbeiten

Studium, Designaufträge, Wettbewerbe – Jennifer Pluskat reizt die kreative Herausforderung, so wie bei dieser Hausarbeit. Aktuelle Einblicke zeigt Jennifer auch auf Instagram.

Zurück zum Design. Welche Designbereiche magst du besonders gerne und was zeichnet deinen Stil aus? Auf welches Gebiet hast du dich mit deiner Selbstständigkeit spezialisiert?

Puh, mit der Frage bringst du mich fast ein wenig ins Schleudern, denn um ehrlich zu sein, bin ich bislang wenig spezialisiert, sondern eher breit aufgestellt: Design, Text, Illustration, … Ich bin definitiv ein Allrounder. Das hat viele Vorteile, da ich so die meisten Wünsche meiner Kunden selbst bearbeiten kann und nur in Ausnahmefällen mein Netzwerk heranziehen muss.

Allerdings erkenne ich durchaus eine Verlagerung meiner Tätigkeiten: Früher war ich überwiegend „ausführende Hand“, die nach Vorgaben Printprodukte oder Logos gestaltete. Heute entwickele ich die Vorgaben selbst, lenke ich die Positionierung von Marken und sehe ich mich zunehmend auch als Berater. Ich arbeite also in strategischeren Funktionen als früher, bündele alle Stränge und übernehme vielfach das Projektmanagement. Dabei ist die Konzeption von Projekten für mich besonders reizvoll. Vermutlich bin ich deshalb auch in der Buchentwicklung meiner zweiteiligen Bachelorarbeit „Schlaf doch endlich! Von Honigmilch und Schäfchenzählen“ total aufgegangen. Ein Herzensprojekt, das natürlich zu 100% aus meiner Feder stammt. Im Theorieteil beschäftige ich mich aus wissenschaftlicher Sicht mit dem Thema Schlafstörungen und führte dafür Interviews, sowohl mit Schlafgeplagten als auch beneidenswerten Superschläfern. Im praktischen Teil entwickelte ich dann aus meinen Recherche-Ergebnissen 15 illustrierte Schlafrezepte, die spielerisch zeigen, was Betroffene versuchen können, um ihr Schlafverhalten zu verbessern.

Jennifer Pluskat Feder Schlafrezepte

Schreiben, Gestalten und Illustrieren: In der zweiteiligen Bachelorarbeit „Schlaf doch endlich! Von Honigmilch und Schäfchenzählen“ konnte Jennifer Pluskat alle Kreativbereiche vereinen

Du bist das beste Beispiel dafür, dass es so viel mehr Wege gibt, als den Klassiker erst Schule, dann Uni, dann rein in den Job. Welchen Tipp würdest du anderen Kreativen mit auf den Weg geben, die als Designer erfolgreich sein wollen?

Mein Tipp richtet sich nicht nur an Designer, sondern grundlegend an alle, die nicht nur einen Beruf haben wollen, sondern nach ihrer Berufung suchen: Frage dich immer mal wieder „Was möchtest du eigentlich?“ „Bist du glücklich mit deiner aktuellen Situation?“ Wenn nicht, ändere etwas! Das kann zwar auch mit Entbehrungen oder Risiken verbunden sein, aber Geld ist meiner Meinung nach nicht alles. Denn wenn man ein Leben lebt, das nicht zu einem gehört, verkümmert irgendwann die Seele. Und das darf nicht sein.

Zudem sollte man nicht zu schnell aufgeben, wenn Dinge unmöglich erscheinen, sondern im ersten Schritt alle Optionen sorgfältig prüfen. Vielleicht geht’s ja doch.

Und zu guter Letzt, wie immer, der Blick hinter die Kulissen deiner kreativen Welt.
Wie sieht dein Arbeitsplatz aus und womit beschäftigst du dich gerade?

Mein Umzug nach Halle hat mich u.a. mein Arbeitszimmer gekostet. Der Schreibtisch ist nun ins Wohnzimmer integriert. Früher eine Horror-Vorstellung und auch heute nicht mein Traum, aber irgendwie schon okay. Ich hätte nicht gedacht, dass ich damit so gut klarkomme, aber es hat durchaus auch seine Vorteile.

Jennifer Pluskat Arbeitsplatz Recherche

Jennifer Pluskat an ihrem  Arbeitsplatz / Foto: Markus Tieben

Aktuell hat definitiv das Semester Priorität, denn die Burg Giebichenstein hat die Lehre glücklicherweise trotz Corona fortgesetzt – jedoch ausschließlich digital. Das erfordert ein hohes Maß an Eigenmotivation. Zum Glück habe ich das ja 🙂 Ich recherchiere viel für Seminare und Hausarbeiten und befinde mich in unzähligen digitalen Meetings. Mit meinen Kommilitoninnen erarbeite ich zeitgleich die jährliche Publikation der Burg Giebichenstein, das Neuwerk-Magazin, und tauche dafür gerade tiefer ins Thema „Gebrochene Schriften“ ein.

Zudem liegen freiberuflich einige Logo-Anfragen auf dem Tisch, ein Image-Prospekt steht an sowie fortwährend diverse Bildbearbeitungen und SocialMedia-Aktivitäten für meine Kunden.

Und ach ja, meine eigene Website müsste dringendst mal relaunched werden 🙂

Danke für das interessante Interview und für den Blick hinter die Kulissen deiner Arbeit, Jennifer.

Das Interview wurde im Juni 2020 geführt.

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